
Gerne hätte ich an dieser Stelle nun geschrieben, dass mein letzter Post aufgrund von tagelangem Schlafmangel hysterisch formuliert war (ja, war er) und sich eine ganz banale Erklärung für meine Belastungsproblematik gefunden hat.
Leider ist dem nicht so.
Zwar konnte ich mein Schlafdefizit etwas in den Griff bekommen, indem ich gänzlich auf Koffein verzichte und Melatonin zum Einschlafen nehme - das hilft zumindest einen etwas klareren Kopf zu haben, aber die grundlegende Problematik bleibt bestehen.
Mein Schlaf ist nicht erholsam und ich fühle mich morgens in etwa so, wie ich abends ins Bett gegangen bin. Mein reales Leistungspensum ist auf wenige Stunden am Tag begrenzt und fällt nach Anstrengung - kognitiv und physisch - rapide ab. Meine auditive Reizfilterung ist noch strapazierter als ohnehin schon und viele Geräusche treiben mich nach kurzer Zeit in den Wahnsinn. Es bestehen weiterhin Durchblutungsstörungen in den Extremitäten, vor allem in den Füßen bei längerem Stillstand im sitzen oder stehen. Hinzu kommt, dass ich ständig "krank" aussehe, blass bin und mich einfach krank fühle.
Medizinisch wurde nichts relevantes diagnostiziert. Einige Blutwerte weisen Toleranzüberschreitungen - bspw. (+) Lymphozyten % 52.8, (+) Monozyten % 9.7, (-) Neutrophile % 35.3 - auf, sollen aber anscheinend kein Anlass zur Sorge sein - wurde mir versichert. Ich sehe das etwas anders, und denke, dass die Werte der weißen Blutkörperchen - da sie chronisch erhöht, bzw. reduziert sind - auf eine leichte autoimmune Erkrankung / chronische Entzündung hindeuten können. Doch was soll ich machen? Mir wird gesagt ich bin gesund und da ich mich nicht so fühle, wurde mir geraten das Ganze psychosomatisch zu überprüfen. Ja. Ich bilde mir meine Beschwerden ein - auch die sichtbaren. Ehrlich gesagt ist der Aspekt nicht ernst genommen zu werden, mittlerweile eine der größten Belastungen in der ganzen Konstellation.
Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass der Hafengeburtstag im Mai eine Post-Exertionelle Malaise [1] bei mir ausgelöst hat. Der Hafengeburtstag war die erste Großveranstaltungen seit 2019 welcher ich beiwohnte und es war die erste Großveranstaltungen in meinem Leben, an welcher ich ohne Alkoholkonsum teilgenommen habe - die Reizbelastung war immens. Zusammen mit dem darauffolgenden Wohnungsumzug und der allgemeinen Situation an höherer Aktivität (u.a. körperliche Belastung bei Abholung meiner Küche), denke ich, dass ich in eine Abwärtsspirale an Belastungstoleranz geraten bin, die bis heute anhält.
Immer wieder hatte ich mit Belastungsintoleranzen seit Anfang 2023 in unterschiedlichen Intensität zu kämpfen. Im Mai 2023 erreichten die Beschwerden mit plötzlichen Schwindelanfälle, Panikattacken, Druckgefühlen in der Brust und dem Gefühl, dass sich mein Herz "wölben" würde, einen frühzeitigen Höhepunkt. Auslöser, so wurde damals vermutet, wären kardiovaskuläre Ursprünge, aber auch Nebenwirkungen von den damals neu probierten ADHS Medikamenten wurden in Erwägung gezogen. Im Sommer 2024 dann - ein Jahr später - wurden bei mir während eines Stress-MRTs Anzeichen auf eine - irgendwann - stattgegebene Perimyokarditis [2] gefunden. Diese Hinweise im Kontrast, gehen einher mit einer bestehenden ST-Hebung, welche im Dezember 2022 das erste Mal im EKG festgestellt wurde und welche vorher nicht vorhanden war.
Es ist auffallend, dass sich meine Beschwerden im Herbst 2023 besserten (aber persistierten), nachdem ich begann Guanfacine [5] als ADHS Medikament zu nehmen und wieder verstärkt auftraten, als ich dieses im späten Frühjahr 2024 absetze. Über 2024 war ich in kardiologischer Behandlung, aber bis auf besagten Zeichen auf die stattgegebene Perimyokarditis, wurde nichts weiter diagnostiziert. Im Herbst 2024, während einer Wanderung auf der Karwendelspitze, hatte ich dann erneut Schwindelanfälle und allgemeines Unwohlsein, welches drei Tage anhielt. Zur Absicherung ging ich damals ins Krankenhaus in Garmisch Partenkirchen, in welchem allerdings ebenfalls keine kardiovaskulären Ursachen festgestellt wurden - der behandelnde Arzt dort erwähnte jedoch als erste (und einzige) Person ME/CFS als mögliche Ursache meiner Symptome.
Es ist rückwirkend nicht attestierbar was der Auslöser für die Perimyokarditis gewesen ist. Doch kann ich mir inzwischen vorstellen, dass diese durch meine Corona Impfungen [3] ausgelöst wurde. Im Herbst 2022 erhielt ich damals eine Dose Comirnaty und im Frühjahr 2023 - kurz vor Beginn der akuten Beschwerden, eine weitere Dose. Zusammen mit den nun weiter persistenten Symptomen und vermutlich starken anfänglichen kardiovaskulären Komplikationen, denke ich, dass ich eine Form eines Post-Vac-Syndroms haben könnte. Das Post-Vac-Syndrom hat symptomatisch starke Überschneidungen mit Long Covid/(ME/CFS), da ein "gemeinsamer Pathomechanismus" [4] plausible erscheint.
Das es nicht früher zu einem kompletten Durchbruch meiner Symptome kam und ich so zB. auch am Mega-Marsch 2024 in Hamburg teilnehmen konnte, kann ich mir rückwirkend nur mit meinem im Durchschnitt moderaten Aktivitätslevel erklären. Es waren immer genügend "Reserven" verfügbar, welche Peak-Belastungen abfangen konnten. Hinzu kommt natürlich die rein zufällige Supplementierung von Ubiquinol und die Einnahme von Guanfacine, welche der Symptomatik unbewusst entgegen wirkten.
Great! Was mache ich jetzt?
Wenn ich etwas über die letzten Wochen gelernt habe, dann das Hilfe zur Selbsthilfe kurzfristig mein best bet ist. Eine medizinische Abdeckung, egal für ein Post-Vac-Syndrom, Long Covid oder ME/CFS, scheinen zurzeit einfach nicht in nennenswerten Kapazitäten gegeben. Obgleich ich weiter nach einer fachärztlichen Anbindung in Hamburg suchen werde, habe ich den Eindruck gewonnen, dass man schnell in ein gewisses Raster gesteckt und die geäußerten Beschwerden einem psychosomatischen Ursprung zugeordnet werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass für mich die Vorstellung bei neuen Ärzten jedes Mal mit immensen Stress verbunden ist. Nicht nur aufgrund sozialer Phobie, sondern auch weil ich im Gespräch Probleme habe zwischen Detail- und Allgemein-Ebene meiner Beschwerden zu unterscheiden. Egal wie strukturiert meine geschriebene Kommunikation wirkt, egal wie strukturiert meine verbale Kommunikation wirkt - die Bildung dieser Struktur gelingt mir nur, wenn ich etablierten Mustern folgenden kann und indem ich einiges an Kraftaufwand betreibe - diese Kraft fehlt mir gerade einfach. Der Verlauf jeder neuen Vorstellung ist anders und nicht planbar.
Kurzfristig hilft mir ein strikter Tagesrhythmus mit ausgeprägter Schlafhygiene, eine ausgewogenen, bewussten Ernährung und körperlicher Bewegung ohne Verausgabung, am meisten. Meine Supplementierung von: Ubiquinol, Acetyl-L-Carnitin, Creatin, Vitaminen (multi, C & D) und Omega-3-Fettsäuren, habe ich im Vergleich zu meinem letzten Post und nach eigenen Experimenten etwas angepasst. Beim Weglassen von Ubiquinol habe ich nach knapp 24 Stunden die größten Leistungseinbußen zu verzeichnen und ich sehe das Supplement daher aktuell als essenziell an. Hinzu kommen Guanfacine und Ritalin als ADHS Medikamente, welche meine kognitiven Leistungen und mein Arbeitsgedächtnis verbessern - beide in der kleinst möglichen Dosis, um adverse Effekte zu minimieren.
Wie es nun mittelfristig weitergeht, weiß ich nicht. Tatsächlich lebe ich gerade irgendwie von einem Tag in den nächsten und setze die Fortschritte um die mir möglich sind.
Nach Jahren des Ringens um Stabilität hab ich es geschafft Alkohol abstinent zu werden und zu bleiben, hab ich es geschafft eine eigene Ausrichtung zu finden und letztlich habe ich endlich die richtige Anbindung für meine neurologische Spektrumsstörung gefunden. Obgleich mir weiterhin die Klarheit hinsichtlich meiner Autismus Diagnose fehlt, welche seit Anfang des Jahres aufgrund von fortwährenden Krankheitsausfällen am UKE stagniert, bietet mein Leben viele Optionen die ich vorher nicht hatte. Ich will nicht aufgeben.
Abschließend ist zu erwähnen, dass ich mich in meiner Situation doch auf einer Ebene glücklich schätzen kann, da ich über meine ADHS Diagnose - rein zufällig - auf ebenfalls für meine Beschwerden gut wirkende (zT. BtM) Medikamente zurückgreifen kann. Viele Menschen werden diese Möglichkeit nicht haben und bei der Farce an medizinischen Abdeckung und Wahrnehmung, vermutlich auch so schnell nicht bekommen.
Weiterhin bin ich der Auffassung, dass vor allem in Fällen mit statistischer und symptomatischer Nuance, die Dunkelziffer von Betroffenen im Bereich Post-Vac-Syndrom/Long Covid/(ME/CFS) weitaus höher ist als aktuell vermutet. Betrachtet man dabei Langzeitfolgen [6] , persistierende Symptome [7] und auch neurologische Auswirkungen [8] [9] von Covid, kombiniert das mit der aktuell sehr laschen Handhabung des Infektionsgeschehens und dem Unwillen zur Anerkennung [10] sowie Aufklärung um Impfschäden, dann muss die rationale Schlussfolgerung sein, dass das Thema Covid als Ganzes nicht vorbei ist, nur weil es aus der medialen Wahrnehmung verschwunden ist, man auf Biegen und Brechen pre pandemic Verhältnisse herbei sehnt und Scheuklappen für die Realität aufsetzt.
Wie sich das ausspielt, wird die Zeit zeigen. Die langfristig Mehrkosten für die Gesundheitssysteme und Auswirkungen auf die Wirtschaft könnten sich empfindlich entwickeln, oder auch nicht - je nach Transformation, abwarten.