29-07-2025

Was stimmt nicht?

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"Post-viral fatigue syndrome (PVFS) encompasses a wide range of complex neuroimmune disorders of unknown causes characterised by disabling post-exertional fatigue, myalgia and joint pain, cognitive impairments, unrefreshing sleep, autonomic dysfunction, and neuropsychiatric symptoms." [1]

Tja. Eigentlich wollte ich mein Leben bis jetzt um 180 Grad gedreht, mich neu ausgerichtet und allen Antrieb nach vorn haben - doch das ist nicht. Kurz nachdem Hafengeburtstag in Hamburg im Mai und der Schlüsselübergabe eine Woche später zu meiner neuen Wohnung, entwickelte ich ausgeprägte Belastungsprobleme, Konzentrationsstörungen und Erkältungssymptomatik - die bei Belastung erschien und dann urplötzlich verschwanden. Hinzu kommen verstärkte - vor allem optische - Durchblutungsstörungen in Händen und Füßen. Mein Schlaf war und ist nicht mehr erholsam, meine psychische Verfassung aufgerieben und angespannt, meine Augen sind morgens so glasig, ich spiegel mich im Spiegel doppelt.

Ja, die letzten 5 Jahre gingen nicht ohne Spur an mir vorbei und meiner Belastbarkeit war ohnehin Grenzen gesetzt, aber das sind neue Dimensionen.

Fuck. Fuck, Fuck, Fuck. Fuck!

Zwei Monate nach Durchbruch der Symptome zeichnet sich keine Besserung ab. Ganz im Gegenteil. Vor allem die psychische Komponente und die Erschöpfung fluktuiert stark - je nach Tagesform. Leichter Sport hilft marginal, Bewegung schafft Ablenkung, meine Ernährung ist optimiert - doch ich fühle mich wie ein tiefenentladener Lithium-Ionen-Akku, der nur mit energy pacing halbwegs über den Tag kommt. Vieles, welches nach dem Einzug hätte gemacht werden müssen, stagniert. Viele provisorische Lösungen wurden zum Dauerprovisorium. Es macht mich wahnsinnig. Das erste Mal in meinem Leben habe ich eine etablierte eigene Stabilität, eine Ausrichtung und Antrieb und nun kommt "Das". Ich kann nur hoffen, dass "Das" kein irreversibler Schaden ist - wie bei einem wirklich tiefenentladenen Lithium-Ionen-Akku.

Doch was ist "Das"? Ja. Bis jetzt habe ich keine definitive Ahnung, nur Vermutungen und Hypothesen. Mein Hausarzt nahm mich im Juni nicht ernst. Ich sei gesund. Ich sei belastbar. Die Erkältungssymptomatik: Einbildung. Es ist nichts erkennbar im Rachen, die Lymphknoten sind normgroß, mein kleines Blutbild regulär.

Meine Therapeutin sprach von einem allgemeinen Belastungs-Peak mit physischen Auswirkungen aufgrund meiner aktuellen Situation - und auch ich wollte und habe das geglaubt, doch es manifestiert sich eine andere Realität.

Anfang Juli haben ein Kumpel und ich eine Einbauküche abgeholt. Die Unternehmung zeichnete einen breaking point meiner bis dahin "nur" sukzessive schlechter werdenden Symptome - just in dem Moment, als wir den etwa 120 Kilo schweren Küchenschrank mit Arbeitsplatte anhoben und trugen. Die notwendige Kraftfreisetzung und daraus folgende Überanstrengung setzte mich temporär gänzlich out of order. Ich schlief nicht, hatte Glieder- & Kopfschmerzen, rot unterlaufene - glasige Augen, die nicht verschwanden, Augenringe bis zu den Wangen und eine Aufmerksamkeitsspanne eines TikTok-Konsumentens (15 Sekunden quite literally). Es ging gar nichts mehr und die nächsten vier Tage verbrachte ich fast gänzlich im Bett.

Zu diesem Zeitpunkt begann ich meine Situation zu rekapitulieren. Die Intensität des break downs erwischte mich kalt und ich suchte nach Ursachen und Auslösern. Kurz zuvor hatte ich aufgehört - unwissend der vermeintlichen Konsequenzen, da ich das Supplement zur kardiovaskulären Unterstützung genommen hatte - Ubiquinol als Nahrungsergänzungsmittel zu supplementieren.

Ubiquinol [3] - oder Ubichinol auf Deutsch - ist die aktive Form von Coenzym Q10 [4]. Dies Coenzym und Antioxidant ist in den Mitochondrien [5] für die Zellenergiegewinnung über die ATP-Synthase notwendig. Recherchen ergaben, dass es sowohl bei einem Post-Viralen Fatigue Syndrome, als auch bei Long Covid/ME/CFS zu Störungen dieser Energiegewinnung kommen - [6] und das eine Q10 Supplementierung Symptome lindern kann [1] . Dem schließt sich an, dass sogar das von mir bei Bedarf (über einen gewissen Zeitraum) eingenommene ADHS Medikament Guanfacine auftretende Beschwerden bei Long Covid/ME/CFS [7] lindern kann. Spannend - war ich die ganze Zeit zufällig, aus anderen Gründen, gegen eine bei mir auftretendes Syndrom medikamentiert? Verdeckte das mögliche Symptome schon länger?

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich PVFS - bzw. bei Persistenz Long Covid oder je nach Differenz ME/CFS - zwar in Erwägung gezogen, wollte das jedoch nicht wahrhaben - auch jetzt ist dies noch nicht diagnostiziert. Der Zusammenbruch meiner Energie bei der Abholung der Einbauküche und der augenscheinliche Zusammenhang mit der fehlenden Ubiquinol Supplementierung sind nun ein erstes Indiz, das das eventuell nun doch in diese Richtung gehen könnte. Andere, noch tiefgreifendere Schäden (u.a. gene expression distribution) kann ich aufgrund der aktuell noch mangelnden Forschungslage nicht direkt in Erwägung ziehen.

Scheiße.

Nachdem ich Stück für Stück wieder auf die Beine kam - zumindest in einen aktiveren Modus Operandi - durchlaufe ich aktuell nun eine umfassende Diagnostik. Ein erstes Differenzialblutbild ergab, dass ich absolut zu wenig Neutrophile Granulozyten (eine Unterform der weißen Blutkörperchen) besitze - eine einzige Messung ist hierbei aber wenig aussagekräftig, die Beobachtung könnte jedoch von einer chronischen Inflammation stammen. Weitere Blutbilder folgenden diese Woche.

Was mach ich nun aktuell also? Vieles kann ich nicht machen und es macht mich wahnsinnig. Im Rahmen meiner Möglichkeiten achte ich auf ausreichend Bewegung inkl. reduziertem Training (unter Vermeidung von anaerober Glykolyse) und versuche darüber hinaus meinen Körper weitestgehend zu schonen. Das betrifft sowohl physische als auch psychische Tätigkeiten. Meine Lebensmittel logge ich, dabei achte ich auf die richtige Relation und Verteilung zwischen Protein/Carbohydrates/Fat. Auch habe ich aufgrund von Quercetin rote Zwiebeln in viele Gerichte integriert, hinzu kommt frischer Ingwer in Tee. Darüber hinaus supplementiere ich zur weiteren Unterstützung täglich (verteilt):

  • 300-600mg • Ubiquinol

  • 300mg • Q10 (nicht aktive Form, zur langfristigen Erhöhung des Spiegels)

  • 3000mg • Omega-3 Fettsäure

  • 1000mg • Acetyl-L-Carnitin (zur Unterstützung des Transports von Fetten in die Mitochondrien)

  • 10mg • Creatin (regenerative Unterstützung der Muskeln und allgemein)

  • 150mg • Vitamin C

  • Vitamin B komplex

  • Diverse Vitamine

Weiter habe ich N-Acetyl L-Cystein (NAC), L-Arginin, Magnesium komplex, Taurin und Astragalus probiert, die Einnahme jedoch derzeit pausiert. Zur Nacht nehme ich 2mg Melatonin - was das Einschlafen vereinfacht, jedoch leider nicht gänzlich das Durchschlafen ermöglicht. Zumindest sind meine Träume sehr intensiv, real lebhaft, seitdem ich Melatonin nehme. I guess I take that.

Alles nicht optimal, um das mal positiv zu formulieren. Das Handtuch werde ich jetzt aber nicht schmeißen. Nicht jetzt. Ganz bestimmt nicht jetzt.

Leider bedeutet die aktuelle Entwicklung aber kurzfristig auch, dass ich nicht am kommenden Mega Marsch bei Nacht am 09.08. in Hamburg teilnehmen kann - auch wenn ich mich wirklich gefreut habe. Es ist klüger, hier zu pausieren. Nicht nur wegen einer körperlichen Überanstrengung, sondern auch um das Risiko eines Infekts zu reduzieren, da ich davon ausgehen muss, dass mein Immunsystem zurzeit nicht funktional ist.

Die weiteren Entwicklung und Aussicht ist abzuwarten. Egal ob im Einzelnen oder im Erweiterten. Meine Intuition sagt mir, dass sich die von mir durchlebten Symptome, in Zukunft gar bei deutlich mehr Menschen abzeichnen könnten - ob das nun Covid bedingt ist, kann ich nicht beurteilen. Es reicht in Bus und Bahn die Augen zu öffnen. Man sieht viele Menschen die erschöpft und krank aussehen, man sieh viele glasige Augen - viel Blässe. Beten und hoffen wir auf das Beste.