

Sowohl Menschen mit ADHS als auch mit Autismus neigen zum „Stimming“ [1] , Verhaltensweisen und Muster, von sich wiederholenden Aktionen oder Bewegungen.
Die dabei zu erreichenden Ziele sind unterschiedlich und können dem Fokus, dem Verarbeiten von Emotionen, der Beseitigung von Langeweile, dem Ausdruck von Freude, der Reduzierung von Stress/Angst oder der Konzentration dienen [2] .
Eine meiner favorisierten Arten des Stimmings ist das Auditory Stimming. Hierbei nutze ich vor allem Musik um meine Emotionen, die ich ansonsten schwierig fassbar machen kann, auf eine innere Leinwand zu projizieren. Diese Art des Stimming führt bei mir häufig ebenfalls zu einer Art Realitätsflucht [3] bzw. Tagträumerei , welche in manchen Augenblicken gewünscht, in anderen eher unpassend ist.
Dabei habe ich gelernt unterschiedliche Emotionen und Ausrichtungen meiner Handlungen, in unterschiedliche Musikrichtungen zu clustern und bin so in der Lage, je nach gewünschter Zielsetzung und ob ich gerade Tagträumen [4] möchte oder nicht, mein Stimming zu kontrollieren.
Das binden von Emotionen an die Rhythmen oder auch die Liedtexte, ist ein elementarer Faktor für mich, warum ich Auditory Stimming so überaus aktiv nutze.
Dafür sei gesagt, dass es mir sehr schwer fällt, abgesehen von emotionalen Spikes (wie z.B. plötzliche Wut), meine Emotionen bewusst feingranular wahrzunehmen. Bildlich könnte man davon sprechen, dass sich meine emotionale Wahrnehmung anfühlt wie eine konstante flatline, mit unregelmäßigen Ausschlägen in die Extreme.
Hinzu kommt, dass meine Erinnerungen extrem visuell ausgeprägt sind. Zwar ist es mir sehr gut möglich mich in meinen Erinnerungen an viele optische Details sowie ein breites Spektrum an Informationen zu erinnern und mich dabei sogar frei in Räumlichkeiten dieser zu bewegen, doch Emotionen empfinde ich dabei nicht.
Musik die ich zum jeweiligen Zeitpunkt gehört habe, hilft mir Nachgang mich in das emotionale „Setting“ der Vergangenheit zu versetzten. Die Klänge helfen mir als nicht nur im aktuellen Moment Emotionen wahrzunehmen, sondern auch bei einer Art Archivierung dieser.
Diese Technik ist allerdings nicht ohne Einschränkungen, so ist es mir z.B. nicht möglich, unterschiedliche Zeitpunkte aus der Vergangenheit mit einem und dem selben Lied mit unterschiedlichen Emotionen abzubilden. Hier wiegt die letzte Emotion und damit meistens auch der letzte Zeitpunkt am stärksten und dieser verschmilzt mit den alten Emotionen nach einer gewissen Zeit.
Vor allem nach meiner Manie hatte ich große Probleme meine damals gehörten Lieder erneut zu hören, da sie mich direkt in diese Zeit versetzten. Erst ein bis zwei Jahre später gelang es mir, Stück für Stück meine Mediathek mit neuen Emotionen zu überspielen und damit viele Lieder wieder hörbar zu machen, allerdings bei weitem nicht alle, einige Tracks höre ich bis heute nicht.
Um wieder zurück auf den eigentlichen Themenkomplex des Stimmings zu kommen.
Meine Lieder sortiere ich in Playlists nach unterschiedlichen Themenbereichen, entweder auf Ebene des Genres, der Herkunft (z.B. aus einem Videospiel, Film) oder gebunden an die auslösenden Emotionen. Hier hilft es mir ungemein auf ein breites Spektrum an Alben und Singles im Streaming zugreifen zu können. Ohne mein Spotify Account könne ich glaube ich nicht überleben und bis jetzt war ich am Ende des Jahres im Spotify Wrapped meistens unter den top 90% der Hörerschaft hinsichtlich der Dauer sowie Häufigkeit.
Aktuell probiere ich vor allem ältere Lieder (älter ist hier subjektiv, ich spreche von mid 2000s) wieder zu hören, weil sie mich an meine frühe Jugend erinnern und an eine unkomplizierte Zeit.
Aber auch hier ist das Schemata meistens identisch zu den „aktuellen“ Stücken die ich höre, meistens habe ich 2-3 Lieder konstant für ein paar Tage auf repeat, bevor ich dazu übergebe 2-3 neue Lieder hinzuzufügen und zu übernehmen. Mit der Zeit entsteht damit dann eine Art Zwiebelschicht aus vergangenen Emotionen in meinen Playlists.
Mich beruhigt diese Art mit meiner Musik umzugehen ungemein, weil ich je nach Laune und Tagesform, meinen linearen Emotionen entfliehen und mich in eine andere Welt flüchten kann.
Mich würde wirklich interessieren, wie viele andere Menschen das ähnlich machen - egal ob NT oder ND. Bei meinen Recherchen musste ich leider feststellen, dass das Thema bis jetzt nicht wirklich umfassend erforscht wurde und bis auf einigen Foreneinträgen auf z.B. Reddit [5], sich wenig Informationen dazu finden ließen.